Ich bin aufgeregt! Mein erster Workshop steht bevor; am 12. April 2025. Andrea Lacher-Bryk hat mich vor einigen Wochen gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, bei einem Workshop mitzumachen. Im Rahmen der Ausstellung „100 x 100: Kleines Format ganz groß“ in der Berchtoldvilla. Nicht als Teilnehmerin, sondern als Vortragende. Als Lyrikerin, die Interessierten zeigt, wie sie flüchtige Augenblicke festhalten und in Worte fassen können. Mutig hab’ ich JA gesagt!

Na dann, Frau Winklhofer — raus aus der Komfortzone und rein ins Abenteuer! Ich habe mich für das Motto „Flüchtige Augenblicke“ und für Haiku als Ergänzung zu den zeichnerischen Winzigkeiten entschieden. Denn: Was passte besser zur Flüchtigkeit eines Augenblicks als die japanische Haiku-Dichtung? Kurze Momente, eingefangen in drei Zeilen mit insgesamt 17 Silben? Reduziert auf das Wesentliche und trotzdem bildgewaltig? Das ist der Reiz des Haiku, der kürzesten Form des lyrischen Ausdrucks.

Gedankensplitter,
hingeworfen auf Papier
für die Ewigkeit.

Es braucht nicht viel, um besondere Augenblicke festzuhalten. Du findest sie überall — beim Blick aus dem Fenster, bei einer Wanderung, beim Spielen mit deinen Kindern, beim Spaziergang mit deinem Hund, bei einer Auto- oder Zugfahrt, bei der Erinnerung an ein schönes Erlebnis. Öffne nicht nur deine Augen, sondern auch dein Herz und all deine Sinne. Siehst du den Zitronenfalter, der von Blume zu Blume flattert? Die Biene in der lockenden Blüte? Die weißen Wolken, wie mit einem Pinsel ins strahlende Blau des Himmels getupft? Die blaue Feder des Eichelhähers, die vor deinen Füßen liegt (es soll übrigens Glück bringen, sie zu finden!)? Hörst du das Lied der Amsel? Das Plätschern der kleinen Wellen am Ufer des Sees? Das Keckern der Elster? Fühlst du, wie kühl und glatt der schön gemaserte Stein in deiner Hand liegt, den du soeben vom Boden aufgehoben hast? Wie weich die Moospolster sind? Und wie erfrischend kühl das Wasser des Baches deine Füße umspielt? Nimmst du die zauberhafte Morgenstimmung bewusst wahr, die über der Stadt liegt, bevor sie zum Leben erwacht? Das Abendrot, mit dem sich die Sonne verabschiedet? Den Sternenhimmel und die verschiedenen Phasen des Mondes? Den geheimnisvollen Vollmond? Erinnerst du dich an das Gefühl, als du zum letzten Mal am Meer warst? An das Rauschen der Wellen und an den salzigen Geschmack auf deinen Lippen? An den Duft der gegrillten Fische? An das geschäftige Treiben im Hafen und an das Tuten der Schiffe? Denkst du an Menschen, die dir begegnet sind? Die deinen Weg gekreuzt oder eine Zeit lang begleitet haben? An ein besonderes Lächeln oder an Worte, die du niemals vergessen wirst? 

All das sind Haiku-Momente. Winzige Auszeiten im Trubel des Alltags. Flüchtige Augenblicke, in Worte gefasst. Poesie in drei Zeilen. Denn jeder Moment, der dich berührt, ist ein Haiku-Moment! Du musst ihn nur erkennen und festhalten.

Im nächsten Beitrag erzähle ich dir vom Workshop. Wenn du dich für Haiku interessiert und vielleicht auch selber welche schreiben möchtest, erfährst du in Kürze mehr zum Thema.

Infos zur Ausstellung findest du hier.

Deine Gudrun Winklhofer